Apples wahre Niederlage steht noch bevor
Den heiligen App Store-Umsatz könnte eine Berufung vielleicht vorerst retten – aber für wie lange?

Wir haben gerade mal ein Drittel des Jahres hinter uns, und bei Apple brennt es jetzt schon an allen Ecken. Angefangen bei der peinlichen Siri-Krise, über bedrohliche iPhone-Zölle, hin zum wackeligen Google-Deal. Für das einst so unantastbare Unternehmen steht einiges auf dem Spiel. Man könnte meinen, Warren Buffett hatte erneut den richtigen Riecher, als er letztes Jahr den Großteil seiner langjährig gehaltenen Apple-Aktien verkaufte. Ich für meinen Teil glaube das und habe ebenfalls vor Monaten meine Einzelaktien verkauft. Apple hat nicht nur vorübergehenden Gegenwind, sondern ein tief verwurzeltes Führungsproblem. Die Executives sind zu alt und betriebsblind, um zu erkennen, dass es eine Shareholder-Gruppe gibt, die sowohl ihre Probleme mit Apple Intelligence als auch der Vision Pro (bzw. AR-Glasses) lösen und ihre Dominanz im Smartphone-Markt sichern könnte: App-Entwickler. Aber statt sie für ihre neuen Plattformen zu begeistern und ihnen zum Erfolg zu verhelfen, hält man sie seit Jahren an der kurzen Leine und regiert seine App Stores mit Angst vor dem nächsten WWDC-Sherlock und App Review-Prozess.
Daher war es keine Überraschung, dass nach dem vernichtenden Urteil von Richterin Yvonne Gonzalez Rogers letzten Donnerstag die gesamte iOS-Entwickler- und Marketingbranche auf LinkedIn zunächst in Euphorie ausbrach. Analytic-Tools und Zahlungsdienstleister wie RevenueCat und Stripe standen dabei an vorderster Front und lieferten unverzüglich das notwendige Handwerkszeug, um den neuen App-to-Web-Flow zu testen. Viele meiner geschätzten Kollegen äußerten jedoch auch berechtigte Bedenken, etwa wegen der erhöhten Friktion durch die Weiterleitung zum Browser – Webviews sind nämlich nicht erlaubt – und die weiterhin vorhandenen „Scare Screens“, die Nutzer darauf hinweisen, dass sie dabei sind, das sichere Terrain des App Stores zu verlassen. Der schlechteren Conversion Rate könnte man zwar mit längeren Trialphasen oder niedrigeren Abopreisen entgegenwirken. Doch dann stellt sich zunehmend die Frage, wofür man sich die Arbeit überhaupt noch macht. Die in oberflächlichen Medienberichten oft zitierte 27%-Gewinnmarge liegt in Wahrheit nämlich eher bei 15–20%, wenn man Zahlungsgebühren, Fraud, Steuerprozesse und Attribution berücksichtigt. Ganz zu schweigen davon, was Apple sich noch einfallen lässt, um Entwickler zu „incentivieren“, doch weitere ihre IAPs zu nutzen. Ich wäre nicht überrascht, wenn vor allem große Apps wie Spotify von den neuen App-to-Web-Flows profitieren, während kleinere Apps schnell von der Realität eingeholt werden.
Außerdem steht Apples Berufung noch aus, und wie Ben Thompson in seinem Update am vergangenen Freitag schrieb, könnte der Richterin ein fataler Fehler unterlaufen sein:
"Judge Gonzales Rogers [...] latest ruling basically says that companies like Spotify are entitled to iOS APIs and App Store distribution without having to pay Apple anything.
If this sounds like a new addition to the case, it is! The Takings Clause has not come up in any previous litigation precisely because Judge Gonzales Rogers’ original opinion acknowledged that Apple had the right to charge a commission; the issue under the California Unfair Competition Law was that Apple’s commission was much higher than was justified precisely because Apple foreclosed competition. To that end, what would have made much more sense would have been if Judge Gonzales Rogers lowered Apple’s proposed 27% commission to something significantly lower; to simply wipe it out completely is what prompts this discussion."
Der App Store ist und bleibt Apples geistiges Eigentum, welches vergütet werden muss. Ein Berufungsgericht könnte daher die Entscheidung von Richterin Gonzales Rogers kippen und Apple eine Gebühr von z.B. 5–10 % zugestehen. Das würde die Gewinnmarge für Zahlungen außerhalb des App Stores weiter senken, sodass sich der zusätzliche Aufwand für viele Entwickler spätestens dann nicht mehr lohnen würde. Ich fürchte, die Messe ist hier noch nicht gelesen.
Das ändert jedoch nichts daran, dass Apple eigentlich eine intrinsische Motivation haben sollte, das Kriegsbeil mit den App-Entwicklern zu begraben. Mit ihrer „Goodfellas-Fuck-you-Pay-me“-Attitüde werden sie den Karren früher oder später gegen die Wand fahren. Denn eins ist sicher: Kein Entwickler wird sich schützend vor Apple stellen, wenn er seine Brötchen anderswo verdienen kann. Ich hoffe, wir sehen in fünf Wochen einen Schritt in die richtige Richtung.